Thüringen hatte im Vergleich mit anderen Regionen in Deutschland im Bereich der Gold- und Silberschmiede nie eine überregionale Bedeutung. Es gab zwar auch auf dem Gebiet des Freistaates regionale Kunstschmiede mit ausgezeichneten Fähigkeiten, aber diese blieben oft eher regional verhaftet und ihre Bekanntheit reichte nicht über die Stadt- bzw. Landesgrenzen hinaus.

Man kann diesen Mangel daran erkennen, dass Geschenke von Außerhalb oft als sehr hochwertig und ohne Gegenstück in Thüringen empfunden wurden. Als die heilige Elisabeth um 1200 im Kindesalter nach Thüringen geschickt wurden, war die Rede von einem Kleidchen aus „Seide mit Gold und Silberstickerei“ und einer „Wiege von eitel Silber“ und dies in einer beeidruckend Qualität. In der Überlieferung heißt es:

Die Zeitgenossen berichten mit emsiger Genauigkeit davon und gestehen daß nie vorher solch Herrliches in Thüringen sei gesehen worden.

Auch wenn man davon sicher etwas abziehen kann durch die Ausschmückungen im Laufe der Zeit, scheinen die hochwertigen Stücke aus Silber und Gold lange Zeit nach Thüringen importiert worden zu sein und stammen nicht aus dem Freistaat selbst.

Im Laufe der Zeit erreichten aber auch einige Städte im Gebiet des heutigen Thüringen den Status, eigene Stadtmarken und Beschauzeichen zu besitzen und das weist darauf hin, dass die Dichte an Silber- und Goldschmieden dort doch hoch genug gewesen war, um diese eigene Kennzeichnung zu rechtfertigen. Die Thüringen scheinen also nicht lange gebraucht zu haben, um ebenfalls Edelmetalle geschickt verarbeiten zu können.

Silber Manufakturen in Thüringen

Mit dem Beginn der Industrialisierung veränderte sich auch die Verarbeitung von Silber und an vielen Orten entstanden Manufakturen, in denen Silber-Schmuck und Gebrauchsgegenstände in größeren Stückzahlen angefertigt werden konnten. In Thüringen fehlen allerdings in diesem Bereich die großen Namen – es gab und gibt keine wirklich bekannte Manufaktur aus dem Freistatt, die sich national oder international einen Namen gemacht hätte. Die Verarbeitung von Silber bleibt in Thüringen eine eher lokale Sache oder die entsprechenden Waren werden aus anderen Bundesländern bzw. Ländern importiert.

Der Thüringer Mahlschatz

Eine Besonderheit aus den letzten 200 Jahren ist der Brautschmuck. Dieser wurde als „Mahlschatz“ bezeichnet und bestand in der Regel aus reich verziertem Schmuck – teilweise aus Gold, in den meisten Fällen aber aus Silber. Je nachdem, wie wohlhaben Brautleute und vor allem die Familien waren, war der Mahlschatz nur die Brautkette oder auch zusätzlicher Schmuck über die Kette hinaus. In der Region Tabarz hat man diese Tradition wieder aufleben lassen. Dort gibt es mittlerweile ein Museum zu diesem Thema und auch eine Schauwerkstatt mit passendem Online-Shop. Auf diese Weise konnte man die Tradition des Mahlschatzes in die Gegenwart übernehmen.

Die Stadtmarke von Erfurt

Stadtmark Erfurt E

Das deutlich E als Stadtmarke von Erfurt, daneben das JHRL als Meistermarke von Johann Hans Rudolf Ludwig (Silberbecher – Stadmuseum Erfurt)

Erfurt ist derzeit die größte Stadt in Thüringen (und die Landeshauptstadt des Freistaates) und konnte sich bereits im Mittelalter als Handelsplatz mit überregionaler Bedeutung positionieren. Die zentrale Lage an den Schnittpunkten von wichtigen Handelsstraßen brachten Wachstum und Reichtum. Das schlug sich auch im Handwerk nieder – in Erfurt entwickelte sich eine reiche Bürgerschaft mit Interesse an Kunst und edlem Schmuck. Es gab im mittelalterlichen Erfurt also sowohl den Bedarf nach Objekten aus Edelmetallen als auch das notwendige Vermögen, um diese auch bezahlen zu können.

Bei der Entwicklung in Erfurt mag auch die Nähe zu den Silberrevieren wie Ilmenau (mit umfangreichem Silberbergbau) eine Rolle gespielt haben. Das Edelmetall wurde in der Nähe angebaut und über Handelstraßen durch Erfurt weiter geleitet – was also lag näher als Silber auch direkt in der Stadt zu verarbeiten?

Randpunzierung Rad Erfurt

Randpunzierung mit einem Rad – möglicherweise Erfurt

Die genaue Geschichte der Gold- und Silberschmiede in Erfurt ist aber noch lange nicht komplett aufgearbeitet und geklärt. Das Angermuseum Erfurt hat beispielsweise erst 2010 einen kleinen Silberbecher aufgekauft, durch den ein Schlaglicht auf den bis dato weitgehend unbekannten Silber- und Goldschmied Johann Rudolf Ludwig geworfen wurde. Ohne solche Objekte bleiben die Arbeiten aus dieser Zeit und die Meister oft unbeachtet und man kann davon ausgehen, dass es noch viele andere unbekannte Meister aus Erfurt gibt, deren Marken erst wieder entdeckt werden müssen.

Bekannt ist dagegen die Stadtmarke von Erfurt. Es handelt sich dabei im eine schlichtes großes E in einer etwas verspielten Form. Bei älteren Arbeiten ist teilweise auch noch ein Rad als Zeichen zu finden. Auch heute noch hat Erfurt dieses Rad als Stadtwappen und es findet sich daher auch in der Stadtmarke wieder.

Ab 1888 gab es nur noch die Herstellermarken (mehr dazu weiter unten im Artikel) und ab und an tauchen auch hier Marken aus Erfurt aus. Auf dem freien Markt findet man beispielsweise ab und an Marken von C. Baer aus Erfurt, möglicherweise eine Silber-Manufaktur. Solche Exemplare, die zweifelsfrei Erfurt zugordnet werden können, sind aber sehr selten.

Einige Objekte mit der Erfurter Beschaumarke sind im Angermuseum Erfurt zu finden, ab und an findet man auch auf dem freien Markt noch Silberschmiede-Arbeiten mit diesen Marken. Diese sind aber eher selten.

Stadtmarke Gera

Gera hatte im 16. Jahrhundert (unter Heinrich V. Reuß) einige eher unbedeutende Silbervorkommen und daher gab es auch Ansätze für die Verarbeitung des Edelmetalles in der Stadt. Allerdings blieben auch die Silberschmiede in Gera eher lokal und konnten kaum über die Stadtrenzen hinaus Bedeutung erlangen. Angeblich gehen aber die bekannten Höhler in Gera auf Bergleute zurück, die in den Silber- und Kupfergruben keine Arbeit mehr fanden.

Offiziell sind in den meisten Werken keine Beschaumarken von Gera aufgeführt, man findet in den Auktionen und Geschäften aber ab und an Waren mit angeblichen Marken aus Gera. Wie zuverlässig das ist, lässt sich leider nicht sagen.

Stadtmarke Altenburg

Altenburg war im 16. Jahrhundert und auch darüber hinaus ein Zentrum für die Gold- und Silberschmiedekunst. Man findet dort eine ganze Reihe von Meistern mit entsprechenden Meistermarken und die Stadt hat daher natürlich auch ein eigenes Beschauzeichen bzw. eine Stadtmarke.

Hinter dieser durchaus auch weiter gehenden Bedeutung steht die Geschichte von Altenburg als Residenzstadt. Die Herzöge von Sachsen-Altenburg residierten in Altenburg und bauten die Stadt aus. In Altenburg war daher zu dieser Zeit viel Adel sesshaft und das bedeutete sowohl den Drang nach Schmuck und Geschmeide in besten Qualität als auch genügend Geld, um dieses bezahlen zu können.

1672 endet diese Zeit allerdings. Altenburg gehörte ab dann zur Linie Sachsen-Gotha-Altenburg und war keine Residenzstadt mehr.

Bei den Beschauzeichen weist Altenburg aufgrund der Bedeutung eine eigene Stadtmarke aus. Diese besteht aus einer offenen Hand, wobei die Detailgrade sich in der Zeit verändert haben. Verbindendes Element der Stadtmarke von Altenburg ist aber immer die Handfläche mit den fünf Fingern.

Altenburger Beschauzeichen – aus: Marc Rosenberg / Der Goldschmiede Merkzeichen, 3 Auflage / Frankfurt a. M. 1927

Neben der Hand wird in späteren Jahren auch noch ein einfaches A als Stadtmarke für Altenburg verwendet. In der Literatur finden sich auch vereinzelt Hinweise auf drei Türme als Stadtmarke von Altenburg. Wirklich verlässlich scheinen aber nur die Marken mit der offenen Hand und dem A auf Altenburg zu verweisen.

Mit der Einführung der Reichsstempelung 1888 (mehr dazu weiter unten im Artikel) wurden die Stadtmarken von Altenburg ersetzt und es gibt aus der neueren Zeit kaum noch Exemplare im Handel, deren Herkunft sich auf einen Goldschmied aus Altenburg zurückführen lässt.

Weimar, Jena und anderen Städte ohne Marken

In der Neuzeit haben vor allem Jena und Weimar in Thüringen an Bedeutung gewonnen  sowie einige weitere kleinere Städte im Freistaat. Im Mittelalter spielten diese Regionen aber keine Rolle, so dass man zu dieser Zeit keine Beschauzeichen oder Stadtmarken aus diesen Städten findet. Ab dem 18. Jahrhundert gewannen diese Städten in Thüringen und auch deutschlandweit an Bedeutung, es kam aber dennoch nie zu einer größeren Silber-Verarbeitungsindustrie – möglicherweise auch, weil hier die Tradition gefehlt hat.

Die Punzierung von Silber ab 1888

Die unterschiedlichen Beschaumarken und Stadtmarken in Deutschland waren auch ein Zeichen für die Zersplitterung des Reichsgebiets und die Macht in den unterschiedlichen Hoheitsgebieten. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1971 nach den Einigungskriegen wurde auch eine Vereinheitlichung im Bereich der Kennzeichnung der Edelmetalle angestrebt und 1888 mit einem Gesetz deutschlandweit durchgesetzt. In Deutschland waren ab dann nur noch die einheitlich Kennzeichnung von Silber nach der sogenannten Reichsstempelung erlaubt. Diese Vorgaben wurden auch bei den Silberschmieden in Thüringen übernommen und umgesetzt.

Die Stempelung von Silber ab 1888 besteht dabei immer aus mindestens 3 Elementen:

  • Kaiserkrone als Zeichen für die Herstellung in Deutschland
  • der Halbmond als Zeichen, dass es sich bei dem Material um Silber handelt
  • Die Zahl des Feingehaltes der Legierung in 1000stel. Als Minimum muss einen 800er Silberlegierung vorliegen.

Daneben kann wahlweise auch noch ein weiterer Stempel mit der Herstellermarke gesetzt werden. Dies ist aber nicht verpflichtend. In Deutschland gibt es für diese Angaben keine Kontrollpflicht. Die Überprüfung der Angaben erfolgt daher in erster Linie stichprobenartig oder bei späteren Prüfungen, wenn die Exemplare weiter verkauft werden.

Dieses Gesetz ist auch heute noch in Kraft und regelt die Punzierung:

Gesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaren § 3 

Die Angabe des Feingehalts auf goldenen und silbernen Geräten geschieht durch ein Stempelzeichen, welches die Zahl der Tausendteile und die Firma des Geschäfts, für welches die Stempelung bewirkt ist, kenntlich macht. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Form des Stempelzeichens zu bestimmen.

Literaturverzeichnis

  • Marc Rosenberg / Der Goldschmiede Merkzeichen, 3 Auflage / Frankfurt a. M. 1927
  • Wolfgang Scheffler / Goldschmiede Mittel- und Nordostdeutschlands von Wernigerode bis Lauenburg in Pommern
    1980, Walter de Gruyter – Berlin – New York
  • Geschichte der heiligen Elisabeth von Ungarn, Landgräfin von Thüringen (Google Books)
  • Otto Lauffer, Meisterzeichen und Beschau, Festgabe für Karl Koetschau, Düsseldorf 1928, S. 39ff.